José Eduardo Agualusa
Das Lachen des Geckos

A1 Verlag, München 2015
Gebunden, 184 Seiten, 17,80 EUR

Rezension von Regina Riepe

Agualusas neuer Roman ist eine spannende und poetische Reise in das heutige Angola, ein literarisches Meisterwerk mit politischem Hintergrund.


Lachen kann man auf vielerlei Arten – fröhlich, höhnisch, herzlich oder böse. Manche Menschen erkennt man an ihrem Lachen, selbst wenn man sie lange nicht gesehen hat. Auch die typischen Geräusche, die ein Gecko von sich gibt, nennt man Lachen. Obwohl diese kleine, fast durchsichtige Eidechse eher ein lautes Keckern und Meckern von sich gibt. Doch es hört sich beunruhigend an. So als ob der Gecko von seinem Beobachtungsplatz oben an der Zimmerdecke wirklich etwas gehört oder gesehen hat und es nun hämisch kommentiert.

Ein solcher Gecko ist der „Gesprächspartner“ von Felix Ventura. Als Albino scheut er die Sonne und lebt zurückgezogen in einem Sammelsurium von Fotos, Büchern und alten Dokumenten. Sein Beruf ist ungewöhnlich: Er erfindet neue Vergangenheiten, inklusive Familienfotos, Dokumenten und Erinnerungen. Daran herrscht großer Bedarf im heutigen Angola, das nicht mehr an seine kommunistische Vergangenheit und die Ereignisse des Bürgerkriegs erinnert werden möchte. Die neue Bourgeoisie hat zwar eine gesicherte Zukunft, doch von ihrer Lebensgeschichte möchten sich viele Unternehmer, Minister und Generäle gerne trennen. „Schenken Sie Ihren Kindern eine bessere Vergangenheit.“ wirbt Felix auf seinen Visitenkarten. Die Geschäfte laufen gut. So manchem Minister verschafft er einen alten Stammbaum bis hin zu den Helden des Widerstandes gegen die Portugiesen, erfindet stolze Ahnherrinnen und vorzeigbare Familien – Ölbild oder Foto inbegriffen.

Als ein wohlhabender weißer Angolaner zu ihm kommt und eine neue Vergangenheit möchte, gelingt ihm ein Meisterstück. Aus dem Unbekannten wird „José Buchmann“, geboren in einer südlichen Provinz Angolas als Sohn eines Buren und einer amerikanischen Malerin. Alles erfunden und mit gefälschten Dokumenten bestätigt. Doch die Geschichte ist so perfekt, dass der Mann Spuren seiner neuen Identität an den genannten Orten findet, Grabsteine aufsucht, Zeitungsmeldungen entdeckt und seine erfundene Vergangenheit zum Leben erweckt. Gespenstisch, selbst für Felix Ventura, den José Buchmann immer wieder zum Zeugen seiner Entdeckungen macht. Wie in einem Vexierspiegel erscheint die Realität. Wer ist eigentlich dieser Mann mit der Identität des „José Buchmann“, der nur verrät, dass er lange als Kriegsfotograf gearbeitet hat? Wer der verkommene Bettler aus der Kanalisation, den er eines Abends anschleppt und der behauptet, früher bei der Staatssicherheit gewesen zu sein? Er behauptet, dass der heutige Präsident ein Double ist, das er selbst vor Jahren ausgesucht und trainiert hat. Luanda ist ein „Jahrmarkt der Irren“, darin sind sich die Männer einig. Zum Kreis dieser schillernden Persönlichkeiten kommt die junge Fotografin Angela Lucia. Eine schöne Frau, die nichts von sich erzählt. Felix verliebt sich in sie, sie ist eine der wenigen Frauen, die vor dem Aussehen des Albinos nicht zurückschreckt.

Zwischen Traumerzählungen, den Kommentaren des Geckos, mit dem Felix Zwiesprache hält, erschaffenen Vergangenheiten und tatsächlichen Erinnerungen gewinnt die Erzählung von Seite zu Seite eine unglaubliche Dichte. Was zu Beginn skurril wirkt und auf einer magisch-realen Erzählebene stattzufinden scheint, wird nach und nach zu einem Politthriller, der die blutige Vergangenheit Angolas als Hintergrund hat.
Ein fantastisch geschriebener Roman voller Andeutungen und Realitätsebenen, ein literarisches Meisterwerk mit politischem Hintergrund.