Patrice Nganang
Hundezeiten


Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2003.
Gebunden, 294 Seiten, 19,90 EUR


Auch als Hörbuch in der Reihe „Afrika erzählt“ erhältlich bei steinbach sprechende bücher

Rezension von Regina Riepe

Eine afrikanische Stadt – aus der Sicht eines Kneipenhundes

Dieses Buch ist eine wirkliche Überraschung! Denn aus der Perspektive eines Kneipenhundes hat noch niemand das Leben in einer modernen afrikanischen Stadt geschildert. Entlarvend und amüsant zugleich beschreibt er den Alltag der Menschen in Kameruns Hauptstadt Yaoundé. Selten fand ich den Prototyp des Beamten so treffend geschildert, das Verhalten der flotten Mädchen in den Vororten der Hauptstand so genau beobachtet.

Der Hunde-Ich-Erzähler des Buches hat sich eingerichtet in seinem Schicksal. Nicht freiwillig, denn zu Beginn war er stolz und empfand das Verhalten der Menschen beleidigend. Wer will schon auf einen Pfiff kommen und auf einen Hundenamen wie „Mbudjak“ hören? Doch die gnadenlose Gesellschaft der Straßenköter ist auch nicht besser. Also bleibt Mbudjak und lernt, wie man am besten unter Menschen überleben kann.

Mbudjak hat schon viel erlebt in seinem Hundeleben, er teilt das Auf und Ab im Leben seines Herrn. Wie haben ihn die Hunde des Viertels früher beneidet! Dosenfutter aus dem feinsten Supemarkt Yaoundés gab der Beamte seinem Hund zu fressen und führte ihn an der Leine spazieren. Doch als Arbeitsloser war er selbst zum Nichts geworden und hatte für Mbudjak nur noch Tritte übrig. Das hält kein Hund mit Selbstachtung aus. Allerdings war das Leben als Straßenköter keineswegs besser, Hunger und Unsicherheit treiben ihn ins Haus seines Herrn zurück. Er freundet sich mit dem Sohn des Hauses an, springt nach jedem Ball, wedelt und hofft. Freundschaft? Fast kostet ihn das sein Leben, denn es geht überall nur ums Fressen und der Sohn seines Herren will die Reste seiner Mahlzeit nicht mehr für den Hund opfern, sondern selbst essen. Erst als sein Herr eine Kneipe eröffnet, ist Mbudjak gerettet – er wird zum Wachhund ernannt und beobachtet fortan alles, was in der Kneipe passiert.

Aus der Perspektive eines Hundes – von unten her – lernt der Leser den Kneipenwirt und seine Familie, die illustre Kundschaft und die mehr oder weniger ehrbaren Frauen kennen. Im Mikrokosmos dieser Kneipe in einem heruntergekommenen Viertel der Hauptstadt Yaoundé entsteht ein Bild des heutigen Kamerun. Doch die Geschichte könnte genauso gut in Lagos, Bamako oder Cotonou spielen, einer dieser schnell wachsenden afrikanischen Großstädte, in denen keine festgefügte Dorfgemeinschaft mehr Grenzen aufzeigt und Schutz gewährt. Jeder kämpft für ein besseres Leben und glaubt, er wäre seines eigenen Glückes Schmied. Doch letztlich geht es ums pure Überleben, ums „Fressen und Gefressen werden“. Das lässt sich wohl wirklich am besten aus der Sicht eines Straßenköters erzählen.